Hin zu mehr Nachhaltigkeit: Der französische Reparaturindex
Seit Anfang 2021 können sich Konsumentinnen und Konsumenten in Frankreich beim Kauf eines Elektro- oder Elektronikgeräts über einen obligatorischen Reparatur-Index darüber informieren, wie einfach sich das vorliegende Produkt im Schadensfall reparieren liesse.
Ziel des «Indice de réparabilité» ist, die Reparierbarkeit von am Markt verfügbaren Elektro- und Elektronikgeräten deutlich zu erhöhen. Die Grundlage des Indexes ist das im Februar 2020 erlassene französische Gesetz zur Abfallbekämpfung und Kreislaufwirtschaft: Damit soll die Nutzungs- und Lebensdauer von Produkten verlängert und eine klare Schonung von Ressourcen angestrebt werden. In einem ersten Schritt ist der Index für folgende Gerätekategorien in Frankreich eingeführt worden:
Smartphones, Fernsehern, Laptops, Waschmaschinen und elektrische Rasenmähern
Wie funktioniert der Index?
Der Index beruht auf fünf Kriterien, die zu je 20 Prozent in die Gesamtwertung einfliessen. Dazu zählen Dokumentation, Zerlegbarkeit, Verfügbarkeit von Ersatzteilen, deren Preis sowie Produktspezifisches. Jedes Produkt wird anhand dieser Kriterien und dazugehörigen Unterkriterien bewertet und erhält entsprechend Punkte. Zusammengerechnet können die Werte für die fünf Kriterien insgesamt 100 Punkte erreichen. Geteilt durch 10 ergibt dann den Reparaturindex: ein Wert zwischen 1 und 10.
Die Hersteller müssen diesen Punktwert per Gesetz bei den vorgeschriebenen Produktekategorien und anhand des offiziellen Kriterienkatalogs ermitteln und an die Händler weitergeben. Diese müssen die Kundinnen und Kunden darüber informieren – online genauso wie am physischen Markt.
Ähnlich wie bei der Energieetikette ist der Index dabei mit Farbstufen hinterlegt, wobei rot für schlechte und grün für gute Reparierbarkeit steht.
Zum Index beim Produkt gehört jeweils eine Tabelle mit den Kriterien und Unterkriterien, wie die Punkte zustanden gekommen sind. Dies, weil der Gesamtwert über allfällige Probleme hinwegtäuschen kann, wenn zum Bsp. Ersatzteile schlecht und teuer verfügbar sind, dafür das Gerät sehr einfach zerlegbar ist.
Die Kriterien im Einzelnen:
- Dokumentation: Bewertet wird, in welchem Umfang Hersteller Unterlagen wie Demontage- und Schaltpläne, Explosionszeichnungen, Bauteilinformationen und Infos zu Diagnose- und Fehlercodes bereitstellen und wie lange diese Informationen verfügbar sein werden. Liegen Anleitungen zur Selbstreparatur bei, gibt es ebenfalls Punkte.
- Zerlegbarkeit: Dies ist wohl das wichtigste Kriterium im fünfteiligen Bewertungsschema: Wer ein einfach zu reparierendes Produkt sucht, sollte neben der Gesamtnote einen speziellen Blick auf das Kriterium Zerlegbarkeit werfen. So müssen Hersteller angeben, wie viele Arbeitsschritte nötig sind, um gewisse Komponenten wie Display, Akkus, Speicher etc. auszutauschen, welches Werkzeug dafür notwendig ist, ob sich entfernte Teile wieder nutzen lassen oder unbrauchbar werden, weil sie etwa ins Gerät geklebt sind.
- Ersatzteilverfügbarkeit: Neben der Ersatzteilhaltung selbst bewertet der Index auch, wo die entsprechenden Ersatzteile auch sonst zur Verfügung stehen. Also ob diese neben dem Hersteller auch für Reparaturwerkstätten oder den Verbrauchern selbst zur Verfügung stehen bzw. erhältlich sind. Volle Punktzahl gibt es wenn die Hersteller Ersatzteile für mindestens sieben Jahre bereithalten; keine Punkte, wenn diese weniger als vier Jahre lieferbar sind.
- Ersatzteilpreise: Bei diesem Kriterium wird der Ersatzteilpreis ins Verhältnis zum Kaufpreis des Produktes gesetzt, wobei sowohl das teuerste der als besonders anfällig betrachteten Teile als auch der Durchschnittspreis der restlichen Komponenten berücksichtigt werden. Übersteigt der Preis für ein neues Display zum Beispiel 10 Prozent des Geräteneupreises, gibt’s Punktabzüge. Günstige Geräte erhalten so kaum Bestwerte, während gute Noten für teure Laptops oder Smartphones nicht unbedingt günstige Ersatzteile bedeuten.
- Produktspezifisches: Hier tragen Informationen zu anstehenden Updates, Fernwartung oder die Möglichkeit eines Software-Resets durch den Hersteller zu einer guten Note bei.
Beispiel der Bewertungskriterien für den Reparaturindex bei einem Laptop:
Für die Berechnung einiger Kriterien werden zuvor festgelegte Ersatzteile der Listen 1 und 2 wichtig (siehe Tabelle oben). In Liste 1 sind maximal 10 Teile enthalten, deren guter Zustand für den Betrieb des Geräts notwendig ist, und wie einfach diese Teile auszubauen sind. Liste 2 ist für die Berechnung der Kriterien noch wichtiger: Sie enthält 3 bis 5 Ersatzteile, die am häufigsten Defekte aufweisen.
In unserem Beispiel des Laptops sind folgende Teile in Liste 1 bzw. 2 aufgeführt:
Liste 1:
- Motherboard
- RAM-Speicher
- Lüfter/Kühler
- Tastatur
- Ports und Anschlüsse (USB, HDMI, VGA )
Liste 2:
- Datenspeicher (HDD/SSD)
- Bildschirm/LCD-Panel
- Akku
- Stromanschluss
- Ladegerät
Frankreich übernimmt mit der Einführung dieses Index per Gesetz eine Art Vorreiterrolle bzgl. Nachhaltigkeit. Daher schaut ganz Europa auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit (Right to repair, Kreislaufwirtschaft, Green Deal) auf die Wirkung des neuen Indexes, welcher 2024 überprüft werden soll. Zusätzlich soll er dann durch einen Haltbarkeitsindex ergänzt werden, welcher einen Hinweis auf Robustheit und Zuverlässigkeit eines Produktes geben soll.
Wie reagiert die EU?
Frankreich steht mit seinem Regulierungsbestreben nicht alleine: Die EU – und in Übereinstimmung damit auch die Schweiz – hat bezüglich Nachhaltigkeit hin zu besserer Reparierbarkeit von Elektrogeräten bereits erste Schritte unternommen: Seit 2021 müssen Hersteller bestimmter Elektrogeräte wie TV, Monitore, aber auch Haushalt Grossgeräte per gesetzlicher Verordnung wichtige Ersatzteile 7 bis 10 Jahre verfügbar halten und mit Anleitungen an Reparaturbetriebe liefern können.
Und was heisst das für die Schweiz?
Das Swico Strategiepapier Kreislaufwirtschaft nimmt einige dieser Themen bereits auf, und die zuständige Arbeitsgruppe verfolgt die Entwicklungen innerhalb von Europa mit Interesse. Allfällige Schweizer Bestimmungen müssen auf Europa abgestimmt werden und die Eigenverantwortung der Hersteller und der Konsumentinnen und Konsumenten gleichermassen berücksichtigen.
© Adobe Stock: Reparatur von Elektronikgeräten - Symbolbild