Einkaufstour ohne Grenzen
Kurz vor den Sommerferien kam es zu einem erneuten Paukenschlag: Auf ihrer endlos scheinenden Einkaufstour übernimmt die Post nun das Security-Unternehmen Terreactive. Der Staatskonzern breitet seine Macht in der Privatwirtschaft aus – was ist davon zu halten?
Was zunächst als harmlose Einzelakquisitionen zur «Arrondierung» der Dienstleistungen erschien, entpuppt sich heute als lange Einkaufsliste entlang einer kalkulierten Strategie. Die Post entwickelt sich abseits von ihrem Service Public Auftrag zu einem mächtigen IT Anbieter, und zwar unter dem Schirm eines staatlichen Monopols und mit dem Segen des Bundesrats. Über diese Strategie gibt es keine Transparenz, geschweige denn wurde sie vom Parlament abgesegnet.
Der Ursprung dieses Gebarens liegt in einem Problem, an der die Politik durchaus mitverantwortlich ist. Denn die Post soll einen Grundversorgungsauftrag im Bereich Brief- und Paketversand erfüllen, der unabwendbar defizitär ist. Gleichzeitig soll sie selbsttragend sein. Somit können Defizite aus dem Post- und Paketbereich nur mittels Quersubventionierungen aus kommerziellen Tätigkeiten kompensiert werden. Im Vordergrund stehen dabei Erträge aus der Postfinance, für die in Vergangenheit ein Service Public Bedürfnis geortet worden war. Hier ist das Parlament zum Ergebnis gekommen, dass der Ausweitung der Finanztätigkeiten der Post Schranken gesetzt werden und sie nicht beliebig in Finanzbereich eindringen soll. Einen entsprechenden Vorschlag des Bundesrats hat es zurückgewiesen.
Ausbau am IT Markt
Anders bei der IT-Industrie: Hier pickt sich die Post fortlaufend Unternehmen aus diversen IT-Subindustrien und baut ihre Position am IT Markt aus. Transparenz über die Kosten gibt es nicht, und kommuniziert werden stets vollendete Tatsachen. Nach aussen werden diese Akquisitionen als Erweiterung der Postdienstleistung in die digitale Welt verkauft. «Dort, wo sinnvoll, wächst die Post punktuell über Akquisitionen auch anorganisch», sagt die Post noch im 2021. In einigen Bereichen ist das mit etwas Kreativität nachvollziehbar. Tatsächlich handelt es sich aber um einen eigentlichen Umbau des Postkonzerns zu einem Anbieter von vielfältigen IT Dienstleistungen. Diese reichen von der digitalen Buchhaltung über gesundheitliche, behördliche und sogar Werbeangebote. Und mit dem Zukauf von Terreactive nun auch Cybersecurity.
Mit dieser Strategie mischt das Staatsunternehmen in einem privaten Markt mit, der ausreichend besiedelt ist und den Wettbewerb unter privaten Unternehmen sicherstellt. Es gibt genügend Firmen, die ein vielfältiges Angebot an IT-Produkten und Dienstleistungen sowie Digitalisierungsprojekte anbieten. Es ist kein Marktversagen ersichtlich, das ein staatliches Eingreifen erforderlich macht oder ein Staatsunternehmen auf den Plan ruft, um einen Service Public sicherzustellen. Wenig überraschend stösst die Strategie der Post in der Branche auf Unverständnis.
Widersprüchliche Anforderungen
Der Ärger richtet sich nicht nur gegen den Postkonzern selbst, sondern auch gegen die Politik. Wieso lässt der Bundesrat das Staatsunternehmen gewähren, und wieso interveniert das Parlament nicht? Es fehlt ganz einfach der Mut einzugestehen, dass die finanziellen Anforderungen an die Post widersprüchlich sind. Einen defizitären Service Public zu bieten ohne Verlust schreiben zu dürfen, ist eine unlösbare Aufgabe. Und weil eine kommerzielle Expansion in andere Industrien zu einem Aufschrei führen würde, drückt man bei der vielschichtigen IT-Industrie ein Auge zu. Digitalisierung ist schliesslich ein universelles Zauberwort, das zu jeder Branche passt.
Gewiss, die Postleitung handelt aus ihrer Sicht unternehmerisch und zukunftsgerichtet – als Privatkonzern würden die Aktionäre wohlwollend schweigen. Aber für ein staatliches Monopolunternehmen ist dies die falsche Übungsanlage
Exkurs aus dem Parlament
Die Expansionsstrategie der Post treibt seltsame Blüten. So hat die PostCom, das Aufsichtsorgan der Post, private Essenskurierdienste unter das Postgesetz gestellt. Sie argumentiert damit, dass die Auslieferung einer Pizza oder einer Dönerbox einer Postleistung gleichzusetzen sei. Damit weitet die PostCom das Gesetz eigenmächtig auf Unternehmen der Privatwirtschaft aus, obwohl sie in diesem Gebiet gar keinen Grundversorgungsauftrag hat. Für eine Pizza hat sie nämlich keine Auslieferungspflicht.
Brisant ist, dass die Post kurz vor der Verfügung der PostCom selbst einen Essenskurierdienst aufgekauft hat. Dieses Beispiel zeigt, wie heikel die Expansionsstrategie der Post werden kann. Sie beschränkt sich nicht auf die «Arrondierung» ihres Service Public Auftrags, sondern kann dazu führen, dass sie sich zur Marktmacht entwickelt und privates Unternehmertum behindert.
Mittels parlamentarischer Initiative fordert Judith Bellaiche, dass das Postgesetz im Kurierbereich nicht willkürlich angewendet werden darf.